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Afghanistan - Keine einfachen Antworten

 

Es gibt keine einfachen Antworten zur Lösung komplexer Probleme", so Winfried Nachtwei, erfahrener Afghanistan-Experte der bündnisgrünen Bundestagsfraktion bei seinem Besuch in Nienburg. Diese Prämisse stellte er mit grafischen Darstellungen, Fotos, Berichten und mit Antworten auf kritische Fragen während seines Vortragsabends im Nienburger Kulturwerk immer wieder unter Beweis.

Den Luftangriff am 4. September bei Kunduz, bei dem es offensichtlich auch zivile Tote gegeben habe, wertete er als einen gewaltigen Sprung in der Konfliktentwicklung im Norden, der sich durch die hohen Opferzahlen, die auch die Bundesregierung nicht mehr verschweigen könne, zum politischen Wendepunkt auswachsen könne. Nachtwei informierte über die geografische, ethnische und historische Situation in Afghanistan und lenkte die Betrachtungsweise auf die komplexen Strukturen im Inneren des Landes sowie auf die sich ständig verschlechternde Situation dort. Ursachen für die sich seit Frühjahr zuspitzende Lage sieht er unter anderem in der bisher sowohl von der Bundesregierung als auch der ISAF zu gering erachteten,  von den Grünen jedoch immer vorrangig propagierten Politik des zivilen Aufbaus. Dazu gehöre ein ausgefeiltes Programm, das u.a. die Stärkung der afghanischen Sicherheitskräfte und die Unterstützung der Selbstorganisation im Land beinhalten müsse. „Jetzt machen sich die Versäumnisse aus der Vergangenheit bemerkbar. Wir Grüne haben von Anfang an auf die ausschlaggebende Bedeutung des Polizeiaufbaus verwiesen, doch dies Problem hätte die ISAF in viel größerem Maße verstärkt angehen müssen." Von Anfang an hätte mehr für die Unterstützung der Bevölkerung getan und der Schwerpunkt auf lokale Stärkung gelegt werden müssen. Stattdessen habe es eine Konzentration der ISAF auf Kabul gegeben.

Vorrangig gehöre auch die Stärkung der Landwirtschaft zum zivilen Aufbauprogramm.  Erste Erfolge zeige der in einzelnen Landesteilen abnehmende Anteil des Rauschgiftanbaus zugunsten des Weizenanbaus, wobei eine Steuerung außer über den Weltmarkt auch über die örtliche Zusammenarbeit der politischen und geistlichen Führungen gelungen sei.  Es sei ein Fehler der Vergangenheit gewesen, die Landwirtschaft zu vernachlässigen. In der Förderung alternativen Anbaus liege eine beträchtliche Chance zu wirtschaftlichem Zuwachs und damit die Chance zur Unabhängigkeit von den Taliban.  Nachtwei schilderte die Aufgaben der deutschen Aufbauhilfe: Schwerpunkte seien u.a. der Aufbau der Trinkwasser- und Stromversorgung, die Alphabetisierung und Stärkung der Rechtstaatlichkeit. Er verwies auf das Winterschulprogramm, an dem auch Mädchen teilnehmen konnten, und an dem der ungeheure Bildungshunger der jungen Bevölkerung deutlich wurde. Er sprach die Situation der Frauen an. Immer wieder sei erkennbar gewesen, dass sie die eigentlichen Trägerinnen des Aufbaus in Afghanistan sind, also müsse ihnen mehr Unterstützung zuteil werden.  Die Friedensarbeit im Land müsse intensiviert werden, stellte er dar und berichtete von den Erfolgen  der Trainingsprogramme zur Konfliktlösung  in Fragen des alltäglichen Lebens  bei  den von Gewalt geprägten Bevölkerungsgruppen.

Nach einer guten Stunde eindringlicher und differenzierter Schilderung der Situation in Afghanistan ging Nachtwei auf kritische Fragen aus der Zuhörerschaft ein. Auf die Frage, ob die Bundeswehr nun Krieg in Afghanistan führe, erläuterte Nachtwei die Strategie von ISAF. Die Vermeidung ziviler Opfer, Schutz und Zustimmung der Bevölkerung bei allen Aktionen habe oberste Priorität. Er räumte allerdings ein, dass durch die verstärkte Kampfsituation im Norden inzwischen auch „Kriegshandlungen" nicht mehr zu vermeiden seien. Die Qualität der Taliban-Angriffe habe sich grundlegend geändert und ziele jetzt mit modernem Waffenpotential großräumig auf Militäreinheiten. Nachtwei hatte aber Bedenken, den Kriegsbegriff auf die gesamte Situation in Afghanistan anzuwenden und verwies dazu auf schriftliche Ausführungen, die interessierte Leser bei den Nienburger Grünen anfordern können.

Nach wie vor sei die Vermeidung von Zivilopfern fundamental für die Legitimität und die Erfolgschancen des deutschen und internationalen Afghanistaneinsatzes.

Ein Zuhörer sprach den aus seiner Sicht notwendigen sofortigen Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan an. Damit traf er bei Winfried Nachtwei jedoch auf völliges Unverständnis. „Grundfalsch. Ein Sofortabzug wäre ein Kriegsbeschleunigungsprogramm sondergleichen und außerdem ein Destabilisierungsschub für Pakistan." Er verwies auf das Einsickern militanter Kräfte von dort aus. Kunduz werde seit März des Jahres immer mehr zu einem strategischen Angriffspunkt.

Nach einem Ausstiegskonzept befragt, antwortete Nachtwei: „Wir treten für eine Abzugsperspektive mit überprüfbaren Aufbauzielen als Basis ein." Ein klarer Aufbauplan müsse zusammen mit der afghanischen Seite erarbeitet werden,  konzentrierte Anstrengungen müssten den wirtschaftlichen Aufwärtstrend verstärken und der militärische Abzug müsse innerhalb der nächsten 2-4 Jahre in Aussicht gestellt werden.

Dafür müsse die deutsche Außenpolitik sich in der Afghanistanfrage endlich zu mehr Offenheit, Ehrlichkeit und Konsequenz bekennen, statt weiterhin zu vertuschen oder zu beschönigen.



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