Menü

Bedrohung durch multiresistente Keime

Landwirte wollen mit gesunden Tieren Geld verdienen

  Landwirte wollen mit gesunden Tieren in sauberen Ställen ihr Geld verdienen.“ Dies Postulat stand am Anfang und am Ende im Raum bei der zweiten Veranstaltung des Grünen-Kreisverbandes zur Reihe: „Was kostet uns das billige Fleisch? Folgen für Tiere, Umwelt, Menschen“.

 Diesmal ging es um die Bedrohung durch multiresistente Keime und die Frage, welche Bedeutung dabei dem Einsatz von Antibiotika in der Tiermast zukommt und welche Möglichkeiten der Risikovermeidung Landwirte, Krankenhäuser und Aufsichtsbehörden haben.

Gut 90 Zuhörerinnen und Zuhörer waren zur Veranstaltung in den Wellier Freesenhof gekommen.

Humanmediziner und Tiermediziner, eine Vertreterin der „Ärzteinitiative gegen Massentierhaltung e.V.“, ein Vertreter der „Arbeitsgemeinschaft für artgerechte Nutztierhaltung“ sowie der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion – sie alle fanden Antworten darauf aus ihrer jeweiligen Perspektive. Und häufig war Einigkeit da. Zum Beispiel in der Aussage: „Überall wo Antibiotika eingesetzt werden, können Resistenzen entstehen, in der Humanmedizin genauso wie in der Tiermedizin.“

Nach Auffassung von Dr. Imke Lührs, Ärzteinitiative gegen Massentierhaltung, sind „die Risiken von Infektionen mit multiresistenten Keimen so gravierend, dass wir nicht warten können, bis die letzten wissenschaftlichen Zweifel über den jeweiligen Anteil der Human- oder Tiermedizin ausgeräumt sind“. Studien hätten nachgewiesen, dass der Anteil der la-MRSA-Keime in Gegenden mit viel Massentierhaltung ansteigend sei. Dagegen müsse etwas unternommen werden.

 

Eine „exemplarische Produktionsanlage“ präsentierte Tierarzt und Landwirt (Haltung von insgesamt mehr als 120.000 Masthähnchen) Dr. Andreas Wilms-Schulze-Kump. Er stellte einen nach hygienischen Erfordernissen vorbildlichen Stall mit 30.000 Tieren vor und postulierte: „Voraussetzung zum Halten dieser Tiere sind gute Kenntnisse und Fertigkeiten, ständige Kontrollen von der Untersuchung des Eies bis zur Ausstallung der Tiere, der bei uns eine längere Servicezeit folgt, um alle Keime wirksam zu bekämpfen.“ Ein gutes Management unter Berücksichtigung aller Verordnungen sei die Grundlage für die Verringerung von Keimen.

Wo viele Tiere zusammen kommen, sind viele Bakterien, und die sind extrem lernfähig. Sie sitzen in den Kläranlagen, in der Einstreu und nutzen jede Gelegenheit zur Anpassung“, so der praktische Tierarzt Nicki Schirm, deshalb: „Je weniger Tiere in einem Stall, desto geringer die Ansteckungsgefahr durch Bakterien.“

Tiere sind keine Ware, sie sind Mitgeschöpfe“, sagte Eckard Wendt von der AG für artgerechte Nutztierhaltung, „wenn wir sie so behandeln, brauchen wir nicht so viel Antibiotika.“ Sein Credo: Weniger Fleisch essen, Jungtiere wegen der Immunitätsbildung länger bei Muttertieren lassen, Lebensbedingungen schaffen, die die Tiervitalität verbessern: Mehr Licht, Mobilställe, weniger Besatz.

Thomas Schremmer, MdL, befand: „Wir denken zu kurzfristig, wir müssen die Systemfrage stellen: Ist die derzeitig wachsende Produktionsweise in der Landwirtschaft zukunftsfähig? Die Entscheidung liegt in unser aller Verantwortung und in unserem Handeln.“ Seinem Vortrag zufolge wurde eine interministerielle Arbeitsgruppe aus den verantwortlichen Bereichen eingerichtet, die genau dieser Frage nachgehe. Er hielt eine Datenbank für notwendig, die den Einsatz von Antibiotika durch Tierärzte belegen sollte.

Nach den Eingangsvorträgen bekamen die Gäste Gelegenheit, mit den Referenten in verschiedenen Diskussionsrunden ins Gespräch zu kommen. Die Ergebnisse, die zum Teil große Gemeinsamkeiten aufwiesen, seien hier zusammengefasst:

Human- und Tiermediziner sollten sich zusammensetzen und voneinander lernen.

Antibiotika werden in beiden Bereichen zu leichtfertig verschrieben.

Wir essen generell zu viel Fleisch: Motto: Iss die Hälfte Fleisch, bezahl das Doppelte.

Verbesserungen in der Tierhaltung müssen einfach und nachvollziehbar etikettiert werden (Beispiel Markierung von Eiern), damit sie entsprechend honoriert werden können.

Die Einführung von stringenten Hygieneanforderungen auch in kleineren Betrieben bedingen höhere Produktionskosten, die von den Konsumenten getragen werden müssen.

Nutznießer für die Einführung und Einhaltung von höheren Standards sollten die Produzenten, also die Bauern sein, nicht aber die weiter verarbeitenden Abnehmer (z. B. Molkereien, Lebensmittelketten) oder auch Kreditinstitute.

In der anschließenden Fragerunde der Referenten untereinander ergaben sich weitere, bemerkenswerte Aspekte. Eine Frage ging an Dr. Wilms-Schulze-Kump: „Glauben Sie, dass die Zukunft der Tierhaltung nur in zunehmend wachsenden Betrieben liegt oder geben Sie den kleineren sogenannten „Bäuerlichen Betrieben“ noch eine Chance?“ Die Antwort: „Möglich. Aber Politik tut zu wenig für den Erhalt der kleinen Betriebe: Notwendig sind weniger „Gängeleien“, also weniger Bürokratie und Kontrollen, damit weniger Kosten, und eine gerechtere Verteilung von Subventionen. Immer wieder klang an:

Landwirte wollen mit gesunden Tieren in sauberen Ställen ihr Geld verdienen. Dann muss die Politik ihnen ermöglichen, weniger Tiere zu halten, ohne ihre Einnahmen zu verringern.“

Zum Schluss wurde noch ein Stückchen an der Rolle der Tierärzte „gekratzt“: „Verdienen Tierärzte tatsächlich an der Verschreibung von Antibiotika?“ Die Antwort könnte man so zusammenfassen: „Die Frequenz der Behandlungen und Menge von Antibiotika in der konventionellen Nutztierhaltung sind dort am größten, wo viele Tiere zusammen gehalten werden. Die Verdienstspannen für die betreuenden Tierärzte liegen entsprechend höher". 

Mechthild Schmithüsen, Moderatorin und Sprecherin des Grünen-Kreisverbandes, stellte abschließend fest:"Es ist heute Abend sehr deutlich geworden, dass der verantwortungsvolle Einsatz von Antibiotika für die anwesenden Landwirte und Tierärzte große Bedeutung hat. Überraschenderweise war eine Vorliebe für kleinere Aufzucht-Betriebe auf allen Seiten herauszuhören. Aber gerade diese geraten anscheinend durch höhere Hygienestandards zusätzlich finanziell unter Druck, weil der erforderliche organisatorische und bürokratische Aufwand sich nur in großen Betrieben rentabel verwirklichen lässt. Vielleicht ließe sich das ja durch eine gezielte Subventionspolitik ändern."

Sie verwies auf die nächste Veranstaltung in der Landwirtschaftlichen Themenreihe der Grünen: Am Donnerstag, dem 18. Februar 2016 um 19.30 Uhr im Nienburger Kulturwerk geht es mit dem grünen Europaparlamentarier Martin Häusling um das Thema „Wohin steuert Europas Agrarpolitik“ und um die Frage: „Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen?“.

zurück

Grüne Jugend Nienburg

Du bist unter 28 Jahren, möchtest dich politisch engagieren und dir liegen ökologische und soziale Themen am Herzen? Dann komm zu uns, wir sind die Grüne Jugend Nienburg. Wir setzen uns genau für diese Themen ein und würden uns freuen, wenn du beim Aufbau der Grünen Jugend dabei bist.

Du erreichst uns, unter :

gruene-jugend(at)gruene-nienburg.de

GRUENE.DE News

<![CDATA[Neues]]>